Als internationaler Management Coach und Dozentin an der HSG Universität St. Gallen vermittelt Nicole Brandes zukunftsorientierte Führungs- und Kollaborationskompetenzen und beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die Führungskräfte in einem immer komplexer werdenden Umfeld meistern müssen. Zum 70. Jubiläum von Publicis durften wir Nicole Brandes fünf Fragen zu aktuellen und künftigen Herausforderungen unserer Führungskräfte stellen.
Es wird viel über Mindset geredet. Wir ahnen, dass er im aussergewöhnlichen Erfolg zentral ist. Leider entwickeln nur ein Bruchteil derBevölkerung – etwa 5% - den Mindset. Warum? Weil wir nie gelernt haben, wie das geht. Dabei ist es das mächtigste Werkzeug, über das der Mensch verfügt. Genau dort liegen Kreativität, innere Kraft, Glückseligkeit und die Fähigkeit, sich gegen alle Gegenwinde durchzusetzen. Die Verschmelzung vonInformationstechnologie und Biotechnologie stellt uns vor gigantischeHerausforderungen. Um sie zu meistern, brauchen wir nicht nur agile Organisationsformen, sondern auch den Mindset in voller Aktion. Den muss man aber aktivieren. Wenn nicht, bleiben wir unter unserem Potential. Wenn ja, wird aussergewöhnlicher Erfolg möglich. Mindset kommt vor Strategie.
Führungskräfte sind gefordert, den Spagat zu machen: Einerseits Stabilität für die Wettbewerbsfähigkeit in der Gegenwart zu vermitteln und andererseits agil zu werden, um der Zukunft zu begegnen. Man kann Organisationen nicht einfach über Nacht umbauen. Das würde zu sehr destabilisieren. Aber man kann evolutionär und flüssig an den Rändern beginnen und gleichzeitig daran arbeiten, die gesamte Mannschaft hinter sich und dieVeränderung zu bringen. Das bedeutet, Menschen mit ihren Widerständen, Ängsten und Konflikten abzuholen und setzt hohes menschliches Können voraus.
Natürlich. Und sie müssen. Äussere Transformation braucht innere Transformation. Organisationen sind lebendige Gebilde aus Menschen. DerMensch verfügt über unerschöpfliche Skills, sich an widrigste Umstände anzupassen– und daraus etwas Gutes zu schaffen. Wer zukunftsfit sein will, entwickelt diese Fähigkeiten nicht erst über Schmerz, sondern investiert jetzt in ihreFörderung und ihr Training. Selbstkompetenz wird zur wichtigstenZukunftskompetenz.
Ob akzeptiert oder nicht, wir sind alle gefordert,Komplexität und Speed zu bewältigen. Die tägliche Kernfrage «Was sollen wir tun, wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen?» kann kein Mensch alleine bewältigen. Es braucht Impulsgeber, Facilitatoren und Ermutiger. Es benötigtFührungskräfte, die das Beste aus den Menschen herausholen. Die Kunst, Herzen, Mindsets und Taten von Menschen mit anderen Wertvorstellungen aus unterschiedlichsten Kulturen und Generationen zu gewinnen und sie kooperativ zu gemeinsamen Lösungen zu bewegen, wird zum Erstrebenswertesten. Gleichzeitig braucht es Leuchttürme, die in Krisen-Situationen klare Ansagen ohne Diskussion und Gruppenkonsens machen. Und es braucht Visionäre, die inspirieren, das innere Feuer anzünden und Sinn stiften. Vielfältiges Leadership fürVielfältigkeit der Menschen in vielfältigen Situationen – dort liegt die Power.
Organisationen decken zentrale Grundbedürfnisse ab. Sie bieten Beschäftigung, Strukturen, Gemeinschaft, Kultur und Werte. Das gibt Menschen Halt, Bedeutung und Orientierung. Es gibt auch die Möglichkeit, sich damit zu identifizieren und einen Platz in der Welt zu haben. Mit den neuen Formen löst sich alles auf. Stellen Sie sich beispielsweise ein heutigesGrossraumbüro vor, in dem die Menschen sich täglich ihren Platz neu suchen müssen. Das mag modern sein aber zahlt nicht auf ein Grundbedürfnis desMenschen ein. Ungeachtet von Organisationsmodellen, wichtige Fragen inLeadership sind «Womit geben wir Halt?» «Welchen Platz räumen wir den Mitarbeitern ein? « Und: «Was ist für uns wert-voll?» Ohne Werte wird das Leben wertlos.